Arzneimittel EU-Fälschungsrichtlinie 2011/62/EU
Interview zur EU-Fälschungsrichtlinie
Konrad Seigfried und Andreas Prskavec über die rechtskonforme Umsetzung der EU-Fälschungsrichtlinie in Apotheken
Am 9. Februar 2019 endet die dreijährige Umsetzungsfrist der EU-Fälschungsrichtlinie 2011/62/EU. Ab diesem Zeitpunkt müssen verschreibungspflichtige Arzneimittel auf ihrer Verpackung zusätzliche Sicherungsmerkmale tragen. Konrad Seigfried und Andreas Prskavec von Snap Healthcare erklären, wie das in der Praxis funktioniert.
Wie sieht die rechtskonforme Kennzeichnung künftig aus?
KONRAD SEIGFRIED: Sämtliche in Österreich und in der Europäischen Union zugelassenen, verschreibungspflichtigen Medikamente tragen auf den Verpackungen einen einzigartigen Code. Damit lässt sich jede Medikamentenpackung bis zu seiner Herstellung zurückverfolgen.
In Verbindung mit Siegeletiketten zum Schutz gegen Manipulation soll das die Echtheit und Unversehrtheit von Medikamenteneinheiten sicher stellen und verhindern, dass gefälschte Arzneimittel in die legale Lieferkette gelangen.
ANDREAS PRSKAVEC: Der Data Matrix Produktcode ist ein zweidimensionaler GS1-Standard Barcode der sich aus einer einmaligen Seriennummer und individuellen Produktionsdaten wie Produktidentifikation (GTIN/NTIN/PPN), Verfallsdatum und Chargennummer zusammensetzt. In Österreich ist auch die Pharmazentralnummer enthalten.
Damit soll die lückenlose Rückverfolgbarkeit eines Medikaments garantiert werden. Wie funktioniert das technisch?
SEIGFRIED: Hersteller melden ihre produzierten und ausgelieferten Chargen bei einem zentralen System an gegen das dann abgeglichen wird. Dazu gibt es pro EU-Mitgliedsstaat jeweils eine nationale Datenbank sowie einen zentralen EU-Hub. Wird ein Medikament abgegeben, dann werden diese Server abgefragt, ob es in der Datenbank existiert. Mit der Verabreichung an den Patienten wird die Abgabe auf den Servern vermerkt und das Produkt kann kein weiteres Mal abgegeben werden.
Wer sorgt für die Umsetzung?
PRSKAVEC: Den „European Hub“ betreibt die European Medicines Verification Organisation (EMVO), eine Organisation europäischer Verbände. Sie spielt alle Daten verschreibungspflichtiger Arzneimittel aus der Industrie ein und teilt sie auf die jeweiligen nationalen Systeme auf. Die Datenbank für Produkte, die in Österreich in Verkehr gebracht werden, betreibt die AMVS (Austria Medicines Verification System) im Auftrag des Österreichischen Verbands für die Verifizierung von Arzneimitteln.
Was bedeutet das in der Praxis für Apotheken?
SEIGFRIED: Medikamentenlieferungen müssen ebenso wie die von der Fälschungsrichtlinie vorgeschriebene Abgabe an Patienten gegen die Datenserver abgeglichen und dokumentiert werden. Das sollte im Interesse von Apotheken und Kunden zeitnahe, möglichst praktikabel und im optimalen Zusammenspiel mit den bestehenden Warenwirtschaftssystemen erfolgen.
Mit welchem Aufwand ist dabei zu rechnen?
SEIGFRIED: Das hängt natürlich von den jeweiligen Workflows und von der gewählten Lösung ab. Beratungsunternehmen beziffern den Aufwand mit 1,5 zusätzlichen Personen pro Jahr – allein für den Wareneingang.
Erschwerend kommt leider hinzu, dass die EMVO für öffentliche Apotheken praktikable Lösungen entwickelt hat. Die speziellen Anforderungen von Krankenhausapotheken hat man leider nicht berücksichtigt. Das heißt, hier entsteht zusätzlicher Anpassungsbedarf.
Welche technischen Lösungen sind möglich?
PRSKAVEC: Auch das hängt von den jeweiligen Workflows ab. Muss entblistert werden, wie erfolgt die Buchung der Wareneingänge, wie wird gelagert und abgegeben, etc. Nach geltender Rechtslage sind Einzelscans aber derzeit der einzige rechtskonforme Weg zur Erfassung.
Gibt es schon einsetzbare Softwarelösungen?
SEIGFRIED: Ja. Mit Custos haben wir ein bereits einsetzbares Produkt entwickelt, das in der Lage ist, die vorgeschriebenen Sicherheitsmerkmale zu überprüfen. Custos fügt sich natürlich reibungslos in bestehende Systemumgebungen ein und kann auch bereits vorhandene Barcodetools integrieren.
Custos schlüsselt den Data Matrix Code auf und gleicht die enthaltenen Informationen mit den EU-Datenservern ab. Die Überprüfung passiert mit einem simplen Barcode-Scan. Bei der Abgabe an Patienten wird die Packung auf den Servern der EU als ausgegeben vermerkt. Damit werden alle gesetzlichen Vorgaben erfüllt.
Wie berücksichtigt Custos die Anforderungen von Krankenhausapotheken?
PRSKAVEC: Für die nötige Anpassung der Prozesse in Krankenhausapotheken gibt es noch keine Best Practice-Beispiele. Deshalb haben wir Custos in der Entwicklung bewusst offen gelassen. Das heißt beispielsweise, wir können auch Bulk-Scanning integrieren, falls das in Zukunft zulässig ist. Dabei könnten beispielsweise zusätzliche Daten wie Gewicht oder Aussehen mit einbezogen werden, was die Sicherheit nochmals erhöhen würde.
SEIGFRIED: Durch die notwendigen Anpassungen ergibt sich auch Potential für Modernisierung. Mit Custos unterstützen wir unsere Kunden auch dabei, wenn es etwa darum geht, mobile Funktionen in die Lagerwirtschaft zu integrieren oder – je nach Systemerfordernissen – synchron oder asynchron zu buchen. Die Fälschungsrichtlinie lässt hier einen gewissen Ermessensspielraum, der Innovationen ermöglicht. Auch dafür halten wir Custos offen.
Wie testen Sie die Praxistauglichkeit?
PRSKAVEC: Wir arbeiten bereits jetzt mit Pilotkunden. Dabei gewinnen wir Erkenntnisse, die wir in der Weiterentwicklung verwerten. Ab März 2018 gibt es dann den ersten Prototypen der AMVS-Datenbank, mit dem wir ebenfalls ausführliche Praxistests machen.
Wo kann man mehr über Custos erfahren und wie läuft die Implementierung?
SEIGFRIED: Im April und im Juni 2018 stellen wir Custos im Rahmen von Webinaren vor. Dabei haben Interessierte auch die Möglichkeit Fragen zu stellen. Ab dem 2. Quartal 2018 ist Custos in Deutschland und Österreich verfügbar. Dann bleibt noch genug Zeit für die Integration bis zum 2. Februar 2019. Dank unserer jahrelangen Erfahrung im Bereich Healthcare können wir unsere Kunden dabei sehr effizient unterstützen.
Text: Herbert Hirner
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